Mehr zum Praxismietvertrag, die Karten gleich auf den Tisch

Schon zu Beginn von Mietverhandlungen sollten alle Karten auf den Tisch – so auch beim Praxismietvertrag. „Das zahlt sich in vielerlei Hinsicht immer aus“, sagt Praxenplaner Holger Brummer. Wird frühzeitig besprochen, ob z.B. eine Nutzungsänderung möglich ist, ob die Räumlichkeiten zum Nutzungskonzept passen, welche baulichen Maßnahmen anfallen und wie die Projekt- und Zeitplanung aussieht, sind die Beteiligten weitgehend auf der sicheren Seite.

Lohnt das Projekt oder nicht?

Holger Brummer: „Wir kennen aber Fälle, wo sich dieser Prozess der Erkenntnis über ein halbes Jahr hinzieht.“ Der Makler versichere meist, alles sei kein Problem, alles ließe sich regeln. Bis die ersten übersehenen Belange auftauchen und die Sache bremsen. Die Zeit bis dahin ist verloren, es fallen Kosten an für Rechtsberatung, für eine Praxisplanung und ähnliches. Besser, gleich die Karten auf den Tisch legen. Das kann eine Sache von 14 Tagen sein. Damit sind die relevanten Punkte bedacht. Beide Seiten kennen alle Möglichkeiten, alle Risiken, um dann zu entscheiden: Wir machen das Projekt oder wir machen es nicht. Dieser Informationsvorsprung – welche Kosten fallen in etwa an, welcher Zeitplan ist drin – ist äußerst hilfreich.

Das Thema Zeitplan rangiert noch vor der Prüfung der Räumlichkeiten, vor Einreichen des Bauantrags, vor Baugenehmigung nach 3 Monaten usw. Nicht selten kommen Zeitketten von einem Dreivierteljahr, von einem Jahr zustande, die anfangs so keiner absieht. Es sind Zeitverschiebungen, mit denen man rechnen muss. Setzt man sich aber rechtzeitig damit auseinander, kann man sich vorausschauend und logistisch darauf einstellen.

Klimatisierte Praxisräume sind ein heißes Eisen

Nicht erst der vergangene Sommer befeuerte den Verdacht: In unseren Breiten wird es immer wärmer. Mit spürbaren Auswirkungen auf die Raumtemperaturen, erst Recht dort, wo mit regem Besucherverkehr gearbeitet wird. Also auch in Arztpraxen. Hier entwickelt sich die Frage nach klimatisierten Praxisräumen zusehend zu einem heißen Eisen. Von der Rechtsprechung wurde sie in der Vergangenheit vernachlässigt. Gibt es – wie in 95 Prozent der Fälle – dazu keine vertraglichen Absprachen, bleibt alles dem Zufall überlassen. „Mein Eindruck ist, in den Praxis-Mietverträgen wird nichts zur Klimatisierung gesagt, weil man sich davor scheut. Die kostet nämlich viel Geld“, berichtet der Leipziger Carsten Ludley aus seiner Arbeit als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentum.

Bisher wurde das Thema weitgehend ausgeblendet. Ein Arzt mit seiner Praxis z.B. in der Gründerzeitvilla mit ihren dicken Wänden wähnt sich weitgehend verschont. Sicher bedingt durch die steigenden Außentemperaturen wird aber irgendwann der Zeitpunkt kommen, wo sich zeigt, jetzt geht’s nicht mehr. Die Wärme und eingeschränkte Belüftung werden für die Patienten und die Beschäftigten unzumutbar.

Ist Klimaanlage Sache des Vermieters?

Wer ist aber nun für eine ausreichende Klimatisierung zuständig? Dazu Rechtsanwalt Ludley: „In der Rechtsprechung sind die Auffassungen geteilt. Die einen sagen, wir stülpen Arbeitsstättenrichtlinien und Arbeitsschutzgesetz über das Mietverhältnis. Heißt, verantwortlich ist der Vermieter.“ Andere Oberlandesgerichte (OLG) sehen den Arbeitgeber, sprich den niedergelassenen Arzt als Normadressaten für diese Vorschriften. Deshalb hat der für die Klimatisierung Sorge zu tragen.

2018 hat das OLG Rostock noch einen dritten Weg gewählt. Die Richter sahen sich den Nutzungszweck der Räume und die Verkehrsanschauung an. In dem besagten Fall betraf es eine Modeboutique, in der im Sommer unerträglich hohe Temperaturen herrschten. Der Senat stellte sich nun die Frage: Was soll laut Verkehrsanschauung in den Räumen erfolgen? Die Kunden sollen in die Boutique hineingehen und sich möglichst lange darin aufhalten. Tun sie aber natürlich nicht, wenn die Räume überhitzt sind. Dieser offensichtliche Fakt steht also dem Nutzungszweck entgegen. Deshalb hat das OLG Rostock die Klimatisierung dem Vermieter zugewiesen. Inzwischen liegt die Sache aber beim Bundesgerichtshof (BGH).

Das kostet einiges extra

Genauso lässt es sich auf eine Arztpraxis beziehen. Deren üblicher Zweck besteht in der Behandlung von Patienten. Die wiederum möchten nicht kränker aus der Praxis kommen, als sie hineingegangen sind. Also könnte die Zuständigkeit für die Klimatisierung dem Vermieter zugewiesen werden. Professionelle Vermieter wissen das auch. Sie werden sagen, sie machen es. Doch es koste einiges extra, die Klimageräte, die Anschlüsse und die Belüftungssysteme bis zum Dach.

Räume auf dem Papier großgerechnet?

Hell, freundlich und geräumig sollen sie sein – die Räumlichkeiten der künftigen, neuen Arztpraxis. Und in der Summe aller Raumeinzelflächen werden z.B. 150 qm benötigt. Wendet sich der Arzt mit dieser Prämisse an einen professionellen Vermieter, bekommt er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine effektive Nutzfläche von etwa 135 qm. Mietrecht-Anwalt Carsten Ludley erklärt den Hintergrund: „Es gibt keine gesetzliche Regelung, wie Gewerberäume zu vermessen sind. Man orientiert sich entweder an einer DIN-Vorschrift oder an den GIF-Richtlinien.“ Bei beiden Berechnungsmodi werden z.B. die Innenwände komplett übermessen, die Mauerstärke werde also mit vermietet. Das könne bisweilen 5 Prozent der Gesamtfläche ausmachen.

Bei der GIF-Richtlinie – einem Richtwert ohne rechtsverbindliche Wirkung – werden dazu noch anteilige Funktions- und Verkehrsflächen hinzugerechnet. So packt man Flächen wie das Treppenhaus, den Aufzugsschacht, den Heizungskeller anteilig auf die Mietfläche drauf. Betriebswirtschaftlich gesehen sei das nicht unlogisch, meint Carsten Ludley. Die Flächen kämen dem Mieter ja anteilig zugute. Letztlich erscheint es dennoch wie Augenwischerei. Der Vermieter wisse sehr genau, welchen Mietzins er braucht, um das Objekt vernünftig zu gestalten. Egal, ob die Fläche nach DIN oder GIF-Richtlinie ausgewiesen ist.

Vorsicht mit Vertrags-Klauseln im Praxismietvertrag aus dem Internet

Setzt der Mediziner den Praxismietvertrag für seine neuen Praxisräume selbst auf, kann das aus verschiedenen Gründen riskant sein. Anwalt Carsten Ludley von der Kanzlei Derckx & Kollegen in Leipzig schildert diesen Fall: „Erst neulich kam ein Arzt in die Kanzlei, weil es Probleme mit seinem Vermieter gab.“ Wie sich herausstellte, hatte sich der Mediziner frei zugängige Klauseln, die er gut fand, aus dem Internet geholt und in seinen Mietvertrag übernommen. Eine Regelung bezog sich auf einen eventuellen Streitfall. Solch eine Auseinandersetzung sollte nicht vor einem staatlichen Gericht, sondern von einem Schiedsgutachter entschieden werden, der vom Amtsgericht in – sagen wir mal – „Hintergugelhapfingen“ gestellt wird. Damit wollte der Arzt vermeiden, dass er bei einem Streit vor Gericht muss. Denn er wisse, das dauert und wird teuer. Was der Mediziner dabei nicht bedacht hatte: Was kostet so ein Gutachter und womöglich kann besagtes Amtsgericht gar keinen Schiedsgutachter bestellen? Fazit: Es macht die Sache viel komplizierter, originelle oder sprachlich gelungene Klauseln in einen Mietvertrag zu nehmen, ohne deren Sinn und die Konsequenzen zu verstehen.

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