Barrierefreiheit in Arztpraxen: Was ist zu beachten?

Barrierefreie Errichtung neuer Arztpraxen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Neue Praxisflächen müssen barrierefrei errichtet werden, um den Anforderungen der Behindertenrechtskonvention und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu entsprechen. Der gleichberechtigte Zugang zu Gesundheitsleistungen ist ein echtes Recht, das durch die Barrierefreiheit gewährleistet werden muss. Deutschland hat sich durch die Ratifizierung des Abkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2009 verpflichtet, Barrierefreiheit in medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen sicherzustellen. Diese Verpflichtung ist Teil der Behindertenrechtskonvention, die in Deutschland in Kraft ist.

Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an barrierefreies Bauen in Deutschland werden in den Landesbauordnungen der 16 Bundesländer geregelt. In der Musterbauordnung findet sich dies unter dem § 50 Barrierefreies Bauen, Absatz 2, wieder. Dieser Absatz fordert, dass bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein müssen.

Baurechtliche Vorschriften für Barrierefreiheit in Arztpraxen – Eindeutige Klärung und Genehmigungspflicht

Baurechtlich ist die Frage nach der Barrierefreiheit in Arztpraxen eindeutig erklärt und mit ja beantwortet. Eine Arzt- oder Zahnarztpraxis, egal ob neu errichtet oder in einem bestehenden Gebäude, benötigt eine baurechtliche Genehmigung bzw. Betriebserlaubnis.

Diese Genehmigung erfolgt über einen Bauantrag, der die Beurteilung des gesamten Bauvorhabens und der verschiedenen Flächennutzungsarten, wie z.B. Arztpraxis, Büro oder Wohnraum, umfasst.

Die baurechtliche Genehmigung für eine Nutzungsänderung eines bestehenden Gebäudes zu einer Arztpraxis beinhaltet auch die Überprüfung und Einhaltung der Barrierefreiheit gemäß DIN 18040-1.

Ausnahme zur Barrierefreiheit in der MBO Barrierefreies Bauen – Bedingungen und Individuelle Begründung

Ausnahme zur Barrierefreiheit in der MBO Barrierefreies Bauen – Bedingungen und Individuelle Begründung

Diese Ausnahme besagt, dass die Anforderungen an die Barrierefreiheit nicht erfüllt werden müssen, wenn es aufgrund schwerer Gelände- oder Bauverhältnisse, ungünstiger vorhandener Bebauung oder aus Gründen der Sicherheit für Menschen mit Behinderungen mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist. Diese Ausnahme muss jedoch individuell aufgestellt und begründet werden und gilt nur in besonderen Fällen.

Diese Ausnahme zeigt auch, dass in einigen Fällen die Barrierefreiheit aufgrund schwerer Bedingungen oder unverhältnismäßiger Kosten nicht zwingend erforderlich sein kann. Es kann jedoch zu einer baurechtlichen Prüfung und Entscheidung kommen, ob die Voraussetzungen für diese Ausnahme vorliegen. In jedem Fall ist es wichtig, die geltenden Regelungen zu prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen.

Musterbeispiel: Nachträglich errichteter Lift im Hof einer HNO-Arztpraxis (2020)
Musterbeispiel eines nachträglichen Liftanbau für eine HNO-Praxis im 1. OG

Ausnahmeregelung für schlaue Füchse – Überprüfung notwendig

Der § 50 MBO, Abs. (3) ist die Hoffnung und der perfekte Hebel für „schlaue Füchse“ – möchte man meinen. Die Ausnahme des unverhältnismäßigen Mehraufwandes im § 50 MBO, Abs. (3) ist lediglich ein Kriterium, das in der Entscheidungsfindung bei der baurechtlichen Prüfung berücksichtigt wird, ob eine Praxis barrierefrei errichtet werden muss oder nicht. Es gibt keine automatische Befreiung von der barrierefreien Baupflicht. Die Entscheidung muss im Einzelfall aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren, wie Denkmalschutz, Brandschutz und Raumverhältnisse, getroffen werden.

Gebäude nicht geeignet für die geplante Nutzung als Arztpraxis

Wenn eine Arztpraxis im Gründerzeithaus oder einer Stadtvilla untergebracht werden soll und kein barrierefreier Zugang bereitgestellt werden kann oder der barrierefreie Zugang nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erreicht werden kann, dann ist das Gebäude nicht geeignet für die geplante Nutzung als Arztpraxis. Es ist wichtig, die baurechtlichen Anforderungen einzuhalten, um die barrierefreie Zugänglichkeit für alle Patienten sicherzustellen.

Die Privatarztpraxis und die Anforderungen an Barrierefreiheit – Eine be(Sonder)e Rolle?

Die Forderung nach einem gleichberechtigten Zugang zu Leistungen des Gesundheitswesens gilt praktisch auch für privatärztliche Einrichtungen. Da es sich um eine allgemeine gesetzliche Vorschrift, die für alle Einrichtungen des Gesundheitswesens, einschließlich privatärztlicher Einrichtungen, gilt.

Mediziner*innen, die an der vertragsärztlichen Versorgung (KV) teilnehmen, müssen sicherstellen, dass ihre Praxis barrierefrei zugänglich ist, um eine gleichberechtigte Teilhabe an Gesundheitsleistungen für alle Patienten an der konkreten Praxisanschrift zu gewährleisten.

Privatärztliche Einrichtungen sind in der Regel nicht Teil der vertragsärztlichen Versorgung und haben somit auch keine Verpflichtung zur Teilnahme an dieser sowie keine Anwesenheitspflicht an einer bestimmten Praxisanschrift. Es liegt in der Entscheidung des privatärztlichen Mediziners oder der Medizinerin, ob und wie er oder sie seine Dienstleistungen anbieten möchte.

Obwohl die Behindertenrechtskonvention (BRK) ein wirksames Recht auf gleichberechtigten Zugang zu Leistungen des Gesundheitswesens festschreibt, kann diese Forderung für privatärztliche Praxen nicht automatisch geltend gemacht werden, da diese keinen Versorgungsauftrag betrifft. Es kann jedoch erwartet werden, dass auch private Ärzte und Ärztinnen sich an die Regeln des Behindertenrechts halten und einen barrierefreien Zugang zu ihren Praxen bereitstellen, um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte medizinische Versorgung zu ermöglichen.

Leistungsangebote der Privatarztpraxis im Fokus

Andererseits ist auf das konkrete Leistungsangebot der privatärztlichen Praxis zu achten. Die Tatsache, dass Leistungen privat abgerechnet werden, unterscheidet eine solche Einrichtung nicht notwendigerweise von einer KV-Praxis. Viele Angebote und Untersuchungen werden in KV-Praxen als IGeL-Leistungen angeboten. Daher hat jeder Patient die Möglichkeit, zwischen IGeL-Leistungen in einer KV-Praxis oder einer privatärztlichen Praxis zu wählen.

Dieser Ansatz verdeutlicht, dass die gleichberechtigte Zugänglichkeit zu medizinischen Leistungen für alle Patienten unabhängig von der Art der Praxis gelten sollte, sofern das Leistungsangebot vergleichbar ist. Daher kann argumentiert werden, dass auch privatärztliche Praxen grundsätzlich an die Forderungen der Behindertenrechtskonvention (BRK) nach barrierefreiem Zugang und gleichberechtigter Teilhabe an Leistungen des Gesundheitswesens angepasst sein sollten.

DIN 18040-1 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude Ausgabe: 2010-10

Die DIN 18040-1 beschränkt sich auf öffentlich zugängliche Gebäude, speziell auf die Teile des Gebäudes und der zugehörigen Außenanlagen, die für die Nutzung durch die Öffentlichkeit vorgesehen sind.

Zu den öffentlich zugänglichen Gebäuden gehören in Anlehnung an die Musterbauordnung (§ 50 Abs. 2 MBO):

  1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,
  2. Sport- und Freizeitstätten,
  3. Einrichtungen des Gesundheitswesens,
  4. Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,
  5. Verkaufs-, Gast- und Beherbungstätten,
  6. Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.
*Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar, und spiegelt lediglich die subjektive Einschätzung des Autors wieder.