Warum Klimatisierung in Arztpraxen kein Luxus ist
In heißen Sommermonaten steigen die Temperaturen in Behandlungsräumen, Fluren und Wartezonen nicht selten über 30 °C. Was für Patient:innen unangenehm ist, kann für medizinisches Personal zum Problem werden. Konzentration, Hygiene und Gerätesicherheit leiden unter unzureichender Kühlung – insbesondere in stark sonnenexponierten oder schlecht belüfteten Räumen.
Praxisrealität: Selektive Raumkühlung ist Standard
Anders als in Hotels oder Neubauten ist in Arztpraxen selten eine Vollklimatisierung realisiert. Gründe dafür sind:
- Wirtschaftlich: Jede zusätzliche Inneneinheit kostet. Die Investitionssumme steigt schnell über 20.000 €.
- Technisch: Pro Außengerät lassen sich meist nur 3–5 Inneneinheiten anschließen (Multi-Split-System).
- Räumlich: Viele Praxisräume sind kleiner als 10 m² – Standardgeräte wären dort überdimensioniert.
- Baulich: Die Außeneinheit benötigt Platz, Genehmigungen und Leitungstrassen.
Daher werden in der Regel nur ausgewählte Räume klimatisiert: Empfang, Wartezimmer, besonders belastete Behandlungsräume oder Technikzonen (z. B. Server, Ultraschall).
Technische Grundlagen der Klimaplanung
Die Klimaanlage muss zum Raumvolumen und zur Wärmelast passen. Eine übliche Dimensionierung liegt bei 50–80 Watt/m², abhängig von:
- Fenstergröße und Ausrichtung (Süd- / Westlage = hohe Last)
- Anzahl technischer Geräte (Ultraschall, OPG, Server etc.)
- Personenanzahl im Raum
- Dauer und Art der Nutzung
Faustregel: Ab ca. 4.700 € pro Innengerät (inkl. Außengerät, Leitung, Montage, Inbetriebnahme, brutto) muss kalkuliert werden. Fünf Innengeräte ergeben eine Investition ab rund 24.000 € brutto.
Rechtliche Grundlagen: Arbeitsstättenverordnung und ASR A3.5
Für Praxen mit Personal gelten die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), konkretisiert durch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A3.5 Raumtemperatur):
- Sollbereich: 19 °C bis 26 °C, abhängig von Tätigkeit und Kleidung
- Pflicht zu Gegenmaßnahmen: Ab 26 °C Raumtemperatur
- Grenzwert: Ab 35 °C sind Räume ohne Kühlung nicht mehr als Arbeitsraum zulässig
Arbeitgeber müssen bei anhaltenden hohen Temperaturen aktiv werden – durch Jalousien, Gleitzeit, Ventilatoren oder eben: Klimatisierung.
Hygiene- und Gerätesicherheit: Mehr als Komfort
Kritische Bereiche wie Aufwachräume, Ultraschallräume oder Laborbereiche haben besondere Anforderungen:
- Temperaturkonstanz ist essenziell
- Manche Geräte haben fest definierte Umgebungstemperaturen für sicheren Betrieb
- Hygienische Anforderungen (z. B. in chirurgischen Bereichen) erfordern kontrollierte Klimabedingungen
Klimatisierung bei kurzen Mietverhältnissen?
Ein zentrales Thema: Wer zahlt – und lohnt es sich überhaupt?
- In befristeten Mietverhältnissen (z. B. Interimsnutzung 1–3 Jahre) sind Investitionen in Klimaanlagen kritisch zu prüfen.
- Vermieterseitig nachrüsten? Selten.
- Mieterseitig finanzieren? Nur mit vertraglicher Absicherung, z. B.:
- Instandsetzungspflicht liegt beim Vermieter
- Bei Auszug: keine Rückbaupflicht
- Option auf Verbleib oder Übernahme durch Nachmieter
Planungs- und Umsetzungshinweise
- Frühzeitig abstimmen: Bauliche Eingriffe (z. B. Fassadenbohrung für Leitung, Aufstellung Außengerät) sind genehmigungspflichtig
- Technisch abgestimmt planen: Leitungsführung, Stromanschlüsse und Gerätedimensionierung müssen individuell kalkuliert werden
- Sinnvoll priorisieren: Es muss nicht alles klimatisiert werden. Funktionalität vor Vollabdeckung.
Fazit: Ohne Klimaanlage geht es nicht – aber mit Plan
Eine selektive, technisch und organisatorisch abgestimmte Klimatisierung ist heute Standard in gut geführten Arztpraxen. Sie dient nicht dem Komfort, sondern sichert betriebliche Abläufe, Hygiene und Mitarbeiterschutz. Gerade bei kurzer Mietdauer ist jedoch eine genaue Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Vertragssituation erforderlich.
Bild von Levente Hauck auf Pixabay